004 - Herz aus Stein by Sabine Ebert

004 - Herz aus Stein by Sabine Ebert

Autor:Sabine Ebert [Ebert, Sabine]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783426451557
Herausgeber: Knaur e-books


Herausforderungen

Kanzler Rainald von Dassel, Markgräfin Hedwig von Meißen, Gräfin Mathilde von Groitzsch; Hoftag in Erfurt, 25. Juli 1160

Die Mailänder haben uns mit Steinen beworfen, uns – eine Gesandtschaft des Kaisers!«, tobte vor den versammelten Fürsten des Reiches Rainald von Dassel, Kanzler, engster Vertrauter des Kaisers und auf dessen Wunsch seit kurzem auch noch Erzbischof von Köln.

»Das ist ein Angriff auf den Kaiser selbst! Jeder hier, der einen solchen Angriff auf die Ehre des Kaisers und des Reiches unerwidert lassen will, hat selbst keine Ehre! Seine kaiserliche Majestät ruft Euch zur Reichsheerfahrt gegen Mailand.«

Rainald von Dassel war fraglos ein zu fürchtender Mann. Zwar belesen, überaus gebildet und von tadellosem Benehmen, wenn es seinen Zielen diente. Aber der Zorn über die schimpfliche Behandlung der kaiserlichen Gesandtschaft in Mailand hatte ihn vollends übermannt.

Um die Forderung des Kaisers an seine Fürsten auch eindringlich genug zu übermitteln, standen im Saal des alten Erfurter Königshofes in einer Front mit dem schier allmächtigen Rainald die engsten Verwandten und Berater des Kaisers: seine Vettern Herzog Heinrich der Löwe und Herzog Friedrich von Rothenburg, sein Schwager Landgraf Ludwig von Thüringen, sein Oheim Pfalzgraf Otto von Wittelsbach, sein Halbbruder Pfalzgraf Konrad und Bischof Eberhard von Bamberg. Nur der sechste Welf fehlte.

Vor sich sahen sie eine große Zahl von Fürsten des Reiches mit finsteren Mienen. Man konnte rätseln, ob diese finsteren Mienen nun der schmählichen Behandlung der kaiserlichen Abordnung durch die Mailänder galten oder der Einsicht, dass sie nicht umhinkamen, dem Kaiser erneut erhebliche Truppenverstärkung nach Italien zu schicken, damit er Mailand und die anderen feindlichen norditalienischen Städten in die Knie zwingen konnte.

Oben auf der Galerie standen als stille Beobachterinnen Markgräfin Hedwig von Meißen und ihre nur wenig jüngere Schwägerin Mathilde von Heinsberg, seit dem Vorjahr Gemahlin von Ottos Bruder Dedo. Angespannt verfolgten sie das Geschehen im Erfurter Königshof.

Denn auch Otto, Dietrich und Dedo standen dort unten und hatten – mehr oder weniger freiwillig – entschieden, sich dem Kampf gegen Mailand anzuschließen.

»Es fehlt nicht viel, und dem Kanzler steht Schaum vorm Mund ob seiner Demütigung«, flüsterte Mathilde Hedwig ins Ohr.

Hedwig warf der belustigten Mathilde wegen dieser respektlosen Äußerung einen erschrockenen Blick zu. Doch die schlagfertige Gräfin von Groitzsch lächelte nur schief.

»Er tut ja alles für die Ehre des Kaisers, aber seine eigene verletzte Ehre scheint ihm heute noch wichtiger zu sein. Mailand wird jeden auf sein Quartier geworfenen Stein noch bitter bereuen.«

Mathilde von Heinsberg – mit hellbraunem Haar, grünen Augen und spöttischer Zunge – hatte ihrem Gemahl Dedo pünktlich neun Monate nach der Hochzeit einen Sohn geschenkt und war schon wieder schwanger. Sie war lebhaft und fröhlich. So wie einst Adele, bevor Svens dramatische Fehlentscheidungen sie mit Schwermut erfüllten. Doch Mathilde war auch sehr gut informiert über die Vorgänge im Kaiserreich und ebenso scharfsinnig wie spitzzüngig.

»Siehst du den dünnen Kleriker hinter Rainald?«, wisperte sie und deutete mit dem Kinn nach unten. »Das ist mein Bruder Philipp von Heinsberg, Domdekan von Köln und rechte Hand Rainalds. Ihm wird noch eine große kirchliche Laufbahn vorausgesagt.«

Hedwig entdeckte ihn sofort, richtete dann aber ihren suchenden Blick lieber wieder auf ihren Gemahl und seine Brüder.



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